…Die Erste Allgemeine Verunsicherung in Kürze…
Der Steckbrief
Herkunft: Österreich, Kenia, Schweden, England, Jamaica, Burgenland
Hauptquartier: Musungu Music Studio, Diani Beach (Kenia)
Genre(s): Rock, Pop-Rock und alles andere auch
Gründungsjahr: 1977
Gründungsmitglieder: Eik Breit, Nino Holm, Anders Stenmo, Thomas Spitzer
Letzte Besetzung: Thomas Spitzer, Klaus Eberhartinger, Kurt Keinrath, Franz Kreimer, Reinhard Stranzinger*, Alvis Reid, Aaron Thier
*Vertretungsgitarrist bei Best-Of-Konzerten
Beisetzung: 2019
Der Überblick:
Die Erste Allgemeine Verunsicherung (kurz: EAV) kann auf eine Karriere mit tausenden Konzert-Auftritten in Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, Liechtenstein und Tschechien, über 10 Mio. verkauften Großtonträgern, 10 Nummer-1 Alben in Österreich und auf unzählige Auszeichnungen zurückblicken.
Es begann als sich Ende der 70er die Band „Antipasta“ auflöste und sich rund um die Kunststudenten Nino Holm und Thomas Spitzer in Wien eine neue Musikgruppe formierte, deren Name sich von der bekannten österreichischen Versicherung (Erste Allgemeine Versicherung) ableitet. Die ersten Ideen drehten sich um einen „Rockomix“, um ein buntes, facettenreiches Rocktheater. Die damals sehr rege Clubszene in Deutschland ermöglichte den sich anarchistisch gebenden Laiendarstellern über Jahre hinweg Tournee-Erfahrungen zu sammeln. Das zweite Album der Gruppe hieß „Café Passé“ und stellt den Höhepunkt dieser Schaffensphase dar. Bei der Kulturkritik war die junge Erste Allgemeine Verunsicherung beliebt, doch das große Geld ließ sich damit nicht lukrieren.
Erst mit dem „Alpenrap“ gab es 1983 einen ersten Charts-Erfolg in Österreich. Mit dem fünften Album namens „Geld oder Leben“ und Hits wie „Banküberfall“, „Fata Morgana“ und „Märchenprinz“ gelang 1985 dann der unverhoffte internationale Durchbruch. Es folgten unzählige Single-Hits, Fernsehauftritte, Tourneen und Platin-Überhäufte Alben. Dabei sind die Klänge pop-lastiger, die Texte gefälliger geworden. Der Ausnahme-Produzent Peter Müller war maßgeblich für den Erfolgs-Sound der Verunsicherung (der später dann zum „Pipsy-Popsy-Pudelsound“ degradiert wurde) verantwortlich, während Thomas Spitzer als Texter den Liedern mit unzähligen Wortschöpfungen, Schüttelreimen und gewitzt geschilderten Alltagsbeobachtungen immer wieder einen gänzlich eigenen Wiedererkennungswert mitgab (und gibt) und als Komponist gemeinsam mit der Ur-Formation dafür verantwortlich war (und ist), dass die Ohrwürmer sich als besonders anhänglich erweisen. Zum Markenzeichen der EAV wurden dabei auch die abenteuerlichen, witzigen Musikvideos und Fernsehauftritte.
Bei den opulenten, theateresken, mit Kulissen Masken und Kostümen bereicherten Konzerten hingegen brilliert noch heute Klaus Eberhartinger, der dritte Sänger der Bandgeschichte, mit pfiffigen Moderationen, vielseitigen schauspielerischen wie gesanglichen Darbietungen und seinem unvergleichlichen Charme. Gleiches galt für den Ausnahme-Sänger Mario Bottazzi, den unvergleichlichen Pantomimen Anders Stenmo und Spezial-Darsteller Eik Breit. Gemeinsam übten sie über ein Jahrzehnt hinweg den Spagat zwischen Massenverträglichkeit und der künstlerischen Notwendigkeit politisch wie anspruchsvoll zu bleiben.
Mitte der 1990er ebbt der Hype um den sogenannten „Austropop“ ab und auch die Erste Allgemeine Verunsicherung kämpft mit Schwierigkeiten, vor allem jedoch aufgrund interner Streitigkeiten.
Doch trotz der kommenden Mitgliederwechsel bringt die Verunsicherung im Schnitt alle zwei Jahre ein neues Album heraus und tourt wie eh und je. 2005 bricht ein weiteres Mal der kommerzielle Erfolg über die Band herein, als das Jubiläumsalbum „100 Jahre EAV“ sich bis heute über 150 Wochen in den Charts verzeichnen lässt und in Deutschland wieder eine Goldene Schallplatte verliehen bekommt.
Bis zu ihrer Beerdigung setzten sich die Verunsicherer (für ganz Lustige: die Bösterreicher) Klaus Eberhartinger und Thomas Spitzer das Ziel Programm für Programm bissiger, böser, besser zu werden.
Getreu dem Leitspruch: „Denn wer nicht mit dem Wölfen heult, wird gekreuzt und viergeteilt“, war die Zeit der Kompromisse und der Image-schädigenden Verrenkungen seit geraumer Zeit vorüber – und brachte der Fan-Gemeinde vier weitere gehaltvolle Musik-Alben als Spätwerk ein.
Die Beisetzung fand nach einer über 90 Konzerte umfassenden, fulminanten Abschiedstournee in der ausverkauften Wiener Stadthalle am 14.09.2019 statt.
Der Faktencheck:
- Die EAV ist eine österreichische Band.
Definitionssache. Denn eigentlich ist die Verunsicherung schon immer eine multinationale Unternehmung gewesen, betrachtet man einmal den Werdegang genauer. Das Abenteuer begann mit den Nordlichtern und gebürtigen Schweden Ian Kare Bosson „Nino“ Holm, Anders Stenmo und dem extraterrestrisch angesiedelten Walter Hammerl. Gemeinsam bestritt man erste erfolgreiche Tourneen (lange bevor die Anerkennung in Österreich erfolgen sollte) im fernen, unbekannten Ausland. In Deutschland.
Italienischen Blutes stieß später der in England aufgewachsene Mario Bottazzi hinzu. Im 2. Jahrtausend wagte außerdem erst kürzlich der Jamaikaner Alvis den Sprung über- See und stieß gemeinsam mit dem Burgenländer Aaron zur Band.
Auch das wichtigste Studio der EAV, das Musungu Music Studio, ist nicht in der Alpenrepublik zu finden. Denn die Gruftgranaten Thomas und Klaus leben und arbeiten seit mittlerweile über 25 Jahren in Kenia…
- Die EAV hat „ihren Zenit längst überschritten“ und „ihre beste Zeit wird noch kommen““.
Tatsächlich feierte die Erste Allgemeine Verunsicherung zwischen 1985 und 1995 ihre größten Erfolge. Es hagelte zu jedem Album bis zu 9fach Platin in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Großtonträger verkauften sich millionenfach und auch die Omnipräsenz im Fernsehen, der Singles im Radio und ausgedehnte Tourneen im deutschsprachigen Raum machten die EAV zu dem erfolgreichsten Musikerkollektiv Österreichs – und speziell der 80er.
Allein ist der kommerzielle Erfolg augenscheinlich nicht der einzige (oder eher: der falsche) Gradmesser um künstlerische Relevanz und humoristische Befähigung zu attestieren. Die Musiker, die in den ersten 7 Jahren ihrer Geschichte mit buntem Rock-Kabarett durch die linke Clubszene Deutschlands tingelten, haben das nie vergessen. So sagte Thomas Spitzer bereits 1986 (Fachblatt Musikmagazin 4/1986): „Uns geht es darum, unsere Alben zu verkaufen und damit die Leute in die Konzerte zu bekommen. Dann merken sie schon, daß das, was sie aus der Single-Hitparade kennen, völlig losgelöst ist von allem, was die Verunsicherung macht.“
Heute ist es nicht mehr notwendig mit Stotterhymnen die Charts anzuführen und politische Meldungen in all zu viel Nonsens zu verstecken- denn die neuen Alben verkaufen sich zuverlässig und gut an ein Publikum, welches das Machwerk der politisch-engagierten Satiriker und Komiker zu schätzen weiß. Man nimmt sich das Recht heraus ohne jede Altersmilde die Ohren der geneigten Hörer auch noch im fortgeschrittenen Alter weiterhin aufs Äußerste zu strapazieren. Ihre beste Zeit wird noch kommen, dessen können wir sicher sein.
- Die EAV ist eine Blödelband.
Für den der die Truppe nur von ihren bekanntesten Hits kennt, mag dieser Eindruck entstanden sein. Tatsächlich setzte sich das Repertoire der EAV seit Anbeginn gleichermaßen aus lustigen wie aus politischen und sozial-kritischen Werken zusammen. Einige Prominente Beispiele: Burli, s’Muaterl, Es steht ein Haus in Ost-Berlin, Neandertal.
Speziell in den Anfangsjahren und seit Anfang der 2000er war und ist ein schärferer Ton zu hören.
- Die EAV ist eine Schlagerband.
Trotz mehrmaliger Auftritte in Sendungen die als Hauptzielgruppe Schlager-Liebhaber vorweisen können, veröffentlichte die Erste Allgemeine Verunsicherung denkbar wenige Songs, die in das Genre des Schlagers fallen. Die Kollaboration mit den Himbeerteddies, schoss erstaunlicherweise in manchen Kreisen über ihr Ziel (Verunsicherung um jeden Preis!) hinaus. Dieses Konzeptalbum beschäftigt sich hauptsächlich mit der Parodie der volkstümlichen Lieder und ihrer sentimentalen wie trivialen Texte und war nicht etwa als Quereinstieg in eine andere Sektion der Unterhaltungsmusik geplant.
[ Lebenslauf Thomas Spitzer ]