Als junger Knab,
da war ich jung.
Jedoch die Zeit
verging gang gung.
Drum bin ich heute älter,
zur Zeit noch warm,
doch morgen vielleicht schon kälter.
Der Zahn der Zeit — apropos:
Ich schau‘ auf die Uhr.
Na, wie hab ich das gemacht?
Wieder ist ein Tag vollbracht,
Augen zu und gute Nacht.
Freu mich auf morgen,
auf einen neuen Tag.
Wenn der Wecker wieder läut‘
und ich zu ihm sag‘:
„Zu Früh!“
– “Die Zeit” (1994, Nie wieder Kunst)
Zu früh – verabschiedete sich ausgerechnet der zuletzt vor Lebenselan strotzende Produzent und Co-Komponist zahlreicher Songs der Ersten Allgemeinen Verunsicherung.
David Bronner
* 20.03.1965 – † 9.11.2023
Im August 1993 reiste David Bronner erstmals für zwei Wochen nach Diani Beach, Kenia. Um der damaligen Gefährtin Klaus Eberhartingers Gesellschaft zu leisten und mit ihr Musik aufzunehmen, hieß es. Daraus wurde nichts. Doch aus 2 wurden 5 Wochen – und es entstanden 3 erste gemeinsame Songs mit Thomas Spitzer. Zwei Tüftler, zwei Satire-Verständige, zwei Unnachgiebige hatten zueinander gefunden. 1 ½ Jahre Kenia sollten folgen; gemeinsam mit den EAV-Chefs zimmerte, schreinerte und gestaltete er das Studio, in dem fortan deutschsprachige Musik am Indischen Ozean produziert worden ist. Darin erarbeiteten sie unter Aufopferung eines Großteils ihres Verstandes das EAV-Album “Nie wieder Kunst”. Als Experte für den britischen, schwarzen Humor bewies er sich rasch als wertvoller Eckpfeiler im Triumvirat Bronner/Spitzer/Eberhartinger.
Der turbulenten Umstände trotzend – die glorreichen 80er waren vorbei und man strudelte in einen Konkurs -, gelang es David Bronner die Band in die 1990er Jahre zu überführen, ohne sie ihrer musikalischen Identität zu berauben. Hin zu modernen, immer auch transparenten Sounds und Stilmitteln, die den Humor hörbar zum Leben erweckten und auch den irrwitzigsten Wortwitz zu illustrieren wussten. Eines seiner Talente, welches er schon zuvor 1992 bei dem Hubert von Goisern-Klassiker “Heast as nit”, eindrucksvoll bewiesen hatte: sich auf den Interpreten einlassen und dessen Qualitäten betonen. Und die Fachkenntnisse, derer es eben zur damaligen Zeit bedurfte, um mit AKAI-Samplern und ähnlichen Geräten Wunder zu vollbringen.
Weitere Begabungen präsentierte der gebürtige Wiener als Live-Musiker auf hunderten Konzerten der Ersten Allgemeinen Verunsicherung, während derer er das Publikum als bühnenwirksamer Keyboarder und Darsteller begeisterte. Trotz der gelungenen Zusammenarbeit hielt es den Umtriebigen nicht lange in der Band; zumindest nicht in der ersten Reihe. Als zu zeitintensiv erwies sich das Mitwirken an den Tourneen. Stattdessen begann eine ausgedehnte Kollaboration mit dem Schweizer Florian Ast. In dessen Heimat verbuchten sie zusammen unzählige Top-10-Erfolge.
Die Treue hielt er der Verunsicherung bis zu dem letzten Album, obwohl er als bestens vernetzter Komponist, Produzent, manchmal auch als Texter (öfter noch als Ratgeber) längst unzählige Aufträge und Erfolge in Deutschland, Österreich und der Schweiz verbuchen konnte.
Ein besonderer Höhepunkt: 2014 ließ die eigenhändig produzierte Hymne “Rise like a Phoenix” von Conchita Wurst international von sich hören, als jene sich damit im 59. Eurovision Song Contest behaupten konnte und so nach 48 Jahren erneut den Sieg nach Österreich holte.
Unter den weiteren Nutznießern seiner Versessenheit nach dem perfekten Klang finden sich nicht zuletzt bekannte Namen wie Die Prinzen, Valerie, Krautschädl und Lemo.
Mit letztgenanntem erhielt David Bronner noch im April dieses Jahres mehr als verdient den Amadeus Austrian Music Award in der Kategorie Best Sound für “Irgendwas mit Dreißig”.
Dass die Zusammenarbeit mit dem eigensinnigen, willensstarken, beharrlichen David Bronner fordernd sein konnte, davon wusste auch Lemo zu berichten: “Mein Glück oder Pech ist, dass mein Produzent David Bronner auch so ist, aber nicht immer in die gleiche Richtung. Wenn zwei so penible und pedantische Leute zusammenarbeiten, dann ist der Prozess zur Zufriedenheit natürlich ein sehr langer.” Doch, so musste auch Thomas Spitzer feststellen, waren es gerade jene Attribute, die zu gegenseitigem Respekt und überaus fundierten Resultaten führten. So einsichtig war der sture Mastermind der Verunsicherung freilich nicht immer,.“Es gab eine Zeit, da haben David und ich gleichermaßen gesagt: Wenn der im Studio ist, geh‘ ich nicht rein” – und tatsächlich sollte David Bronner über 2 Jahrzehnte nicht zurück nach Diani Beach kehren. Die vielschichtigen Gründe kennen Leser seines überaus liebevoll geschriebenen Rückblicks in „1000 Jahre EAV – Der Abschied“ (Buch, 2019). Dort sagt er auch:
“In Afrika lernte ich, wie nah Leben und Tod beieinander sind, mehr noch, wie sehr sie unabdingbar zusammengehören. Ich begann zu verstehen, wie dumm es ist, wenn wir in unserer ersten Welt versuchen den Tod aus unserem Leben zu verbannen und so zu tun als gäbe es ihn nicht – weil er uns ja doch wieder einholt.”
Was für ein Glück, als er im Frühjahr 2023 noch einmal nach Diani Beach zurückkehrte. Zeit für Aussprachen, Zeit für das Schwelgen in den positiven Erinnerungen an eine intensive Lebensphase. Zwei Wochen Urlaub waren geplant, rasch wurden es drei. Und noch bevor die erste ganz vergangen war, saß er bereits auf Thomas Spitzers Terrasse und gemeinsam nahmen sie wie anno dazumal Songs auf.
Versprachen sich, sich bald wiederzusehen.
Weiter zu werkeln.
Bald.
Danke, David.
Wann geht uns’re Zeit vorrüber?
Ständig – schade, mir wär lieber
eher nie als bald!
Zu spät!
– “Die Zeit” (1994, Nie wieder Kunst)